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„Wir können die äußere Natur von der inneren Natur des Menschen abgrenzen. Dabei konfrontieren und reflektieren wir die äußere Welt ständig mit unserer eigenen inneren Welt. Unsere Wahrnehmung und Wahrheit werden dadurch in Frage gestellt und neu definiert: das ist oft mit Zweifeln und Schmerzen verbunden. Die Dualität von äußeren Anforderungen und innerer Freiheit fügt sich allerdings letztlich zu einem Ganzen. Wir brauchen die Gegensätze von Bewegung und Ruhe innerhalb unseres eigenen Universums, um in uns zu gehen und uns zu finden. Nach dem lauten Tag kommt die Stille der Nacht, die Stunde der Einsamkeit mit sich selbst. Darin liegt die Ambiguität des Lebens. In meiner Arbeit versuche ich den Prozess der Konfrontation und Integration von Gegensätzen zum Ausdruck zu bringen. Meine Bilder erzählen keine Geschichten, sondern sie sind eine Lyrik der Emotionen.“
Von der Einheit der Gegensätze
Für die Malerin, Architektin und Landschaftskünstlerin Kejoo Park sind Natur und Architektur wichtige Bezugspunkte. Natur differenziert sie zum einen in das „nicht von Menschen Erschaffene“ und zum anderen in die „Natur des Menschen“, seinen innersten Charakter. Park beschäftigt der Gedanke, dass wir nie unmittelbar diejenigen sein können, die wir von unserem innersten Wesen her sind. Es geht ihr um das individuelle Naturmoment im Menschen, das nicht als solches, sondern erst in seiner gesellschaftlichen Form in Erscheinung treten kann. Individualität entsteht durch das Einwirken von und durch die Auseinandersetzung mit äußeren (gesellschaftlichen) Strukturen. Letztere schaffen wir wiederum selbst und somit sind wir einem Wechselverhältnis ausgesetzt. Die Dualität von „Innen-“ und „Außenwelt“ ist der rote Faden in Kejoo Parks künstlerischem Schaffen. Sie thematisiert das Moment, in dem inneres Wesen und äußere Einflüsse aufeinandertreffen.
Der Taoistischen Philosophie eng verbunden, die ähnlich dem romantischen Gedanken eine Einheit mit der Natur anstrebt, kritisiert die gebürtige Südkoreanerin die heutige Entfremdung von Mensch und Natur. Wir entfremden uns sowohl von Wald, Pflanzen, Tieren als auch von unserer inneren Natur, von uns selbst, da wir in unserer von Oberflächlichkeit geprägten Welt keinen wahrhaften Zugang mehr zu uns haben. Park bringt hiermit ihre Sicht auf die, wie sie sagt, „Like-Gesellschaft der heutigen Zeit“ zum Ausdruck, in der wir immer mehr nach oberflächlichen, gefälligen Wahrheiten verlangen und diese auch wechselweise erzeugen: In Facebook präsentieren wir uns von unserer besten Seite, alles habe toll, wunderbar zu sein. Schönes halte die Kommunikation am Laufen; es sei schnell bewertet, schnell geklickt. Häufig werde zugestimmt, ohne zu hinterfragen, „geliked“, was augenscheinlich gefalle und was gefällig sei. Tiefere, auch kritische Wahrheiten, die den zunächst gefällig scheinenden Themen anhaften, lassen wir häufig nicht zutage treten. Aber: Unser Innerstes funktioniert nicht ohne Gegensätze. Wahrheit hat nicht gefällig zu sein.
Kejoo Park strebt in ihren Werken eine innere Ruhe und Ausgeglichenheit an. Ihre frühen Arbeiten sind rein informelle Werke. Ihr Duktus gleicht Pierre Soulages. Von der asiatisch traditionellen Kalligraphie beeinflusst, haben Parks Werke kalligraphischen Charakter, jedoch empfindet sie für sich, wie auch Soulages, eine eigene, persönliche kalligraphische Sprache. Seit einigen Jahren komponiert sie immer mehr die Szenerie ihrer Werke, setzt verschiedene Techniken und Materialien ein. Sie kombiniert mit Pinsel und Spachtel gestisch aufgetragene Acrylfarbe auf Leinwand oder Aluminiumplatten als Bildträger mit geklebt-collagierten oder mit Schablone aufgesprühten Elementen, verwendet Silberspray. Fotos übermalt sie im Stil Arnulf Rainers. Vielschichtig verbindet sie das, was ursprünglich nicht zusammen passt und sich doch miteinander arrangieren muss. Gegensätze finden sich sowohl thematisch als auch in der Wahl ihrer Materialien.
Ohne Gegensätze werde nichts offenbar, schrieb der deutsche Philosoph Jakob Böhme. Und es sind in der Tat die Gegensätze, die sich in unserem Denken aneinander reiben, uns herausfordern. Kejoo Park schichtet, verdeckt und macht zugleich sichtbar – schafft Un-sichtbarkeiten, von denen wir das sehen, was wir bereit sind, erkennen zu wollen.
Katharina Arimont
Kunsthistorikerin
Kuratorin
Naturreflektion
Kejoo Park fokussiert in ihren Arbeiten die Dualität von Außen- und Innenwelt, die äußere und innere Natur. In den mit „Innere Landschaften“, „Verlorene Landschaften“ und „Innehalten“ betitelten Bildern manifestiert sich die Entfremdung zwischen Mensch und Natur. Die äußere Natur zeigt sich in dem, was der Mensch nicht selbst kreiert hat. Demgegenüber liegen in seinen schöpferischen Ideen und Taten sein Potential, seine Einzigartigkeit, die sich durch den Einfluss äußerer Strukturen sowie die Auseinandersetzung mit Kultur und Gesellschaft entwickeln.
Die Außenwelt wird durch urbane Motive, festgefügte, architektonische Elemente einer Stadt, verkörpert. Fotografien bilden hierbei den Untergrund, den die Künstlerin mit dünnflüssig aufgetragenen Farbschichten übermalt oder zusammen mit singulär aufgesprühten Motiven zu Collagen formt.
Analog der Diametralität von außen und innen spiegelt schwarze und weiße Farbe kontrastierendes dunkel und hell wider, fließt in feinen Rinnsalen bis an die Bildränder, vereinzelt von grünem, gelbem oder rotem Kolorit begleitet. Traditionelle asiatische Kalligrafie, gepaart mit europäischer, gestisch-abstrakter Acrylmalerei, lassen ein ausgewogenes, dynamisches Zusammenspiel von Linie, Form und Fläche entstehen;
Kejoo Park vermittelt durch ihre subtile Malweise ein ihr immanentes, subjektives Moment.
Mit ihrer universell ausgerichteten, von taoistischer und konfuzianischer Philosophie geprägten Geisteshaltung gelingt es Kejoo Park, Gegensätzliches in ausdrucksstarken, komplexen Kompositionen zu vereinen.
Stephanie Schnuerer M.A.
Kunsthistorikerin,
Galerie Rieder
Maximilianstr. 22
80539 München
Das Lied von der Erde
Die Malerin Kejoo Park verkörpert östliche und westliche Kultur: Geboren in Korea, hat sie in den USA Malerei und Landschaftsarchitektur studiert und lebt seit vielen Jahren in Deutschland.
Als bestimmend für ihre künstlerische Arbeit benennt Kejoo Park Dualitäten, die mit ihren wechselseitigen Bezügen wiederum eine Einheit bilden: Innen- und Außenwelt, Natur und Urbanität, Stille und Geschäftigkeit. In einer korrespondierenden Mal- und Zeichensprache verbindet sie die Gegensätze zu harmonischen Bildern. In ihrem Zyklus mit dem Titel „Das Lied von der Erde“ setzt sich Kejoo Park mit dem gleichnamigen sinfonischen Liederzyklus des Spätromantikers Gustav Mahler von 1907/08 auseinander. Die ihm zugrunde liegenden Gedichte stammen von bedeutenden altchinesischen Dichtern, vor allem von Li Bai, der im 8. Jahrhundert lebte. Mahler lässt sich von der Vorlage zu seiner Musik inspirieren, in die seine von allgemeinen und von konkreten Schicksalsschlägen beeinflusste düstere Stimmung hineinfließt.
„Das Lied von der Erde“ thematisiert Jugend, Schönheit und die Vergänglichkeit des Lebens. Kejoo Park erkennt in ihm die Dualität von Sterblichkeit und Lebensfreude, Illusion und Realität, die sich am Ende des Werkes in Harmonie vereinigt: Leben, Tod und Ewigkeit. Zur malerischen Umsetzung von Text und Musik nutzt die Künstlerin ihr besonderes Gespür für die darin enthaltenen Zwischentöne sowie ihr sensibles Verständnis der konfuzianischen und taoistischen Philosophie. Mit ihrem östlich-westlich geprägten Blickwinkel, der sich in ihrer vielschichtigen Malerei widerspiegelt, gelingt Kejoo Park ein ausdrucksstarker Zyklus, der universelle Verbindungen aufspürt und Brücken zwischen Okzident und Orient schlägt.
Dr. Hanneke Heinemann
Kunsthistorikerin,
Kuratorin
